„Aufeinander aufpassen – füreinander da sein“ …

Liebe Fr. Koller,
Hallo Elke,

vielen Dank, dass du dir in dieser besonders für ein Seniorenpflegeheim sehr anspruchsvollen Zeit die Zeit für ein Gespräch nimmst.
Dein Team und auch du, ihr seid das ganze Jahr für andere Menschen da.

„Aufeinander aufpassen – füreinander da sein“ lautet dein Facebook-Spruch.

Ist dies auch dein Lebensmotto?          

Elke:  Ja, das ist meine persönliche Einstellung.
Ich sehe das so. Wir haben die Ehre oder auch das Vertrauen den letzten Weg mit einem Menschen zu gehen, wo nicht mehr alles nur schön ist.
Aber wir können vieles dazu beitragen diese letzte Zeit für Bewohner und Angehörige einigermaßen schön zu gestalten.

Zu Corona-Zeiten ist dieses schöne Motto vor allem für Pflegeheime eine noch größere Herausforderung geworden!?

Elke: Ich sehe hier keinen direkten Zusammenhang. Ob mit oder ohne Corona, wir versuchen immer „Aufeinander aufzupassen – füreinander da zu sein“.
Wir wollen es den Bewohnern so angenehm und schön als möglich machen, aber auch den Angehörigen die Gewissensbisse und Selbstvorwürfe wegen des Heimaufenthaltes nehmen.

Die Corona-Pandemie begleitet uns seit vielen Monaten.
Wie ist die Akzeptanz der Heimbewohner und -besucher zu den auferlegten Maßnahmen?

Elke: Wir besprechen alles mit den Heimbewohnern und den Besuchern und versuchen im Rahmen des Erlaubten immer eine möglichst milde Umsetzung der Vorgaben.
Ein gutes Beispiel sind die für die Heimbewohner so wichtigen Besuche. Die Angehörigen haben Angst ihre Liebsten anzustecken, aber unsere Heimbewohner wiederum benötigen den persönlichen Zuspruch. Wir suchen den milden Mittelweg.
Im Sommer gab es nur Kontakt im Freien und jetzt, in der kalten Jahreszeit, haben wir im Vorraum eine beheizte Besucherecke mit vollständiger Plexiglasabgrenzung eingerichtet. Dies wird von allen Seiten sehr positiv angenommen.

Hat die Pandemie zwischenmenschlich etwas verändert? Seid ihr zusammengerückt?

Elke: Nachdem wir ein sehr kleiner Pflegeplatz mit maximal 6 Personen sind, kann ich das nicht beurteilen, weil eigentlich immer alles sehr „eng“ ist. Das Pflegepersonal ist noch stärker zur Bezugsperson geworden. Die physische und psychische Belastung ist gestiegen.

Warum hast du den Pflegeberuf gewählt? Gab es dazu einen besonderen Moment der Entscheidung oder war er von Beginn an deine „Berufung“?

Elke: Krankenschwester wollte ich schon immer werden. Ich habe auch mit 16 die Ausbildung in Wien angefangen und 2 Jahre durchgehalten und hatte wirklich sehr gute Noten.
Aber psychisch war ich in diesem Alter diesem Beruf noch nicht gewachsen.
Ich habe die Ausbildung dann abgebrochen und eine Lehre als Fotograf und Fotokaufmann absolviert. Dieser kreative Beruf hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber am Ende hat es mich wieder in Richtung Krankenpflege gezogen und ich habe die Ausbildung abgeschlossen und ergänzt.

Wie sieht dein Tagesablauf aus? Wie ist der Ablauf im Seniorenheim?

Elke: Ich stehe so zwischen 5 und ½ 6 Uhr auf und bereite schon alles Mögliche vor und warte bis sich jemand rührt und aufstehen will. Um 7.00 Uhr kommt das Personal und wir erledigen die Morgenpflege mit täglichem Duschen und Körpflege ohne Stress. Danach gibt es gemeinsames Frühstück und am Vormittag folgen dann diverse „unaufschiebbare Arbeiten“, Handtücher zusammenlegen usw….

Um 11.00 Uhr bekommen dann die „Langsam-Esser“ ihr Mittagessen und um 11.30 Uhr folgen die „Schnell-Esser“. Nach dem Essen ist Zeit zum Ausruhen bis ca. 14.00 Uhr. Dann folgt die gemeinsame Kaffeejause. Am Nachmittag singen unsere Bewohner gerne oder spielen Ball, auch Stadt-Land ist ein beliebtes Spiel.

Um 17.00 Uhr beginnen wieder die „Langsam-Esser“ ihr Abendessen und um 17.30 Uhr folgen die „Normal-Esser“. Um 18.00 Uhr geht es dann gemütlich ab ins Bett und so bis um 19.00 Uhr kehrt dann Ruhe ein.

Meine Familie setzt sich dann meistens noch zusammen und wir besprechen Diverses oder lassen den Tag einfach gemütlich vorm Fernseher ausklingen.
Ja, und in der Nacht so 2-3 Mal nachschauen ob alles ok ist….

Kannst du als Heimbetreiberin über ein besonderes Erlebnis berichten?

Elke: Jedes Lächeln oder jede Freude der Heimbewohner und deren Angehörigen ist ein besonderes Erlebnis.

Die Adventzeit, für viele Menschen auf der Welt eine wichtige Zeit, eine Zeit zum Innehalten.
Spielt Religion in deinem Beruf eine wichtige Rolle? Bist du ein gläubiger Mensch?

Elke: Ich bin schon gläubig, aber nicht im herkömmlichen Sinn. Ich brauche keine strenge Struktur um an etwas Glauben zu können…

Das Weihnachtsfest naht. Wie feiert ihr mit den Bewohnern den Heiligen Abend?

Elke: Wir feiern wie eine Großfamilie Weihnachten feiert. Nur haben wir besondere Persönlichkeiten, mit besonderen Bedürfnissen oder Angewohnheiten.

Früher bildeten Großfamilien das soziale Fangnetz. Die Zeiten haben sich verändert.
Heime und Pflegekräfte spielen eine große Rolle und übernehmen vielfach große Verantwortung.
War es früher besser? Was ist der richtige Weg?

Elke: Nein, es war nicht besser, glaube ich. Pflege ging meistens zu Lasten der weiblichen Angehörigen. Ich denke zu Hause gepflegt zu werden, ist etwas Besonderes. Aber meistens kommt der Zeitpunkt wo es für beide Seiten zur Belastung wird und dann muss man handeln. Viele Angehörige haben mir schon bestätigt, dass die Entlastung durch uns der richtige Schritt war.
Es ist nicht verantwortungslos, Teile der Verantwortung abzugeben.

In Österreich spricht man häufig vom „Pflegenotstand“.  Wo liegen die Probleme?

Elke: Hmm, das ist schwierig zu beantworten. Ich denke das Image der Pflegeberufe ist einfach sehr schlecht – im Sinne „ein bisschen Pflegen kann ja jeder, wozu eine Ausbildung?!“

Im Jahr 2018 wurden in Österreich 34 Pfleger pro 100.000 Einwohner ausgebildet. In der Schweiz ist es die 3-fache Anzahl (101/100.000).
Bedarf es in Österreich einer Ausbildungsoffensive? Wie kann der Pflegeberuf attraktiv gestaltet werden?

Elke: Soweit ich weiß, beginnt in Österreich im kommenden Jahr auch schon probeweise ein Pflege-Lehrberuf. Wir werden ja sehen …
Die Frage der Attraktivität stellt sich seit ich denken kann und es gibt keine Antwort darauf.

Ergeben sich durch die Digitalisierung neue Möglichkeiten? Siehst du darin auch für die älteren Menschen Vorteile?

Elke: Auf jeden Fall! Besonderes jetzt zu Corona-Zeiten sind „Skype“ und „Whatsapp“ einfach nicht wegzudenken. Oder die Zeitung am Tablet zu lesen, das Wetter anzuschauen oder Liedertexte googeln, einfach Alexa singen lassen oder Fragen zu beantworten…
Die alten Leute sind am Anfang skeptisch, aber gleichzeitig fasziniert.

Wie hast du den Weg in die Breitenau gefunden?

Elke: Wir hatten bereits in Pernegg ein (Pflege-)Haus gepachtet und waren auf der Suche nach einem eigenen großen Haus. Der damalige Besitz der Familie Beraus war zu verkaufen und es hat für uns gut gepasst in der Breitenau.

Bist du „angekommen“, ist die Breitenau bereits zu deiner Heimat geworden?

Ja, auf jeden Fall sind wir angekommen.
Ja doch, die Breitenau ist schon unsere Heimat aber so wirklich viel haben wir ja noch nicht gesehen oder erwandert in der Breitenau, weil wenn wir dann endlich mal fei haben, dann hat es uns meistens in die Ferne gezogen. Wir lieben Städtetrips oder Wellnesstrips, also meist nur Kurzurlaube.

Was wünscht du dir als Heimbetreiberin von der Breitenau bzw. von den Breitenauern?

Elke: Ich wünsche uns, dass der Sozialhilfeverband den Restkostenbeitrag übernehmen wird.
Außerdem würde ich mir wünschen, dass Leute die nur über uns „schimpfen“ (meistens ja die, die noch nie Kontakt zu uns hatten) uns besuchen kommen und sich persönlich einen Eindruck verschaffen und danach ein Urteil abgeben.

Mit einem Pflegeheim hat die Bevölkerung (Anm.: auch ich) häufig Berührungsängste. Kontakte werden nicht unbedingt gesucht. Entspricht dies auch dem Verhalten der Breitenauer?

Elke: Auf jeden Fall – und das ist auch ein natürliches Verhalten! Krankheit schiebt man immer weit weg – könnte ja ansteckend sein 😊…
Nein im Ernst: Es zeigt uns, wie es vielleicht auch uns ergehen könnte und das schreckt ab. Aber sobald die erste Scheu überwunden ist, sind die meisten Besucher ganz erstaunt, dass es bei uns auch normal zugeht und das wir lachen, schimpfen usw. können.
Die altersbedingten Krankheiten sind zwar vorhanden, aber sie werden eher zur Nebensache.

Womit könnte man dir eine besondere Freude machen? Wunsch ans Christkind?

Elke: Gesundheit! Besonders in diesen Zeiten.

Obligatorische Schlussfrage – gibt’s ein persönliches „Lieblingsplatzerl“ in der Breitenau? Wo?

Elke: Der Ökopark Pretterhofer!

Vielen Dank für das (trotz Videokonferenz) sehr persönliche Gespräch.

Elke: Etwas sehr Wichtiges möchte ich noch gerne ergänzen!
Ein großer Dank und großes Lob gebührt auch meinem Team.
Gerade zu Corona-Zeiten, aber auch sonst, sie sind einfach PERFEKT!!
(… abgesehen von einigen ganz kleinen Ausnahmen :)) … 😉)

Das Ort.News-Team wünscht dir, deiner Familie, den PflegerInnen, den HelferInnen und allen HeimbewohnerInnen eine schöne Adventzeit und ein frohes Weihnachtsfest.

Infobox: Elke Koller
Geboren:            22. 07. 1969 in Graz.
Familie:               in einer Lebensgemeinschaft mit Theo (seit 20 Jahren), eine Tochter (Tanja, 30 Jahre).
Werdegang:      Grundschule, Haushaltungsschule und danach 2 Jahre Schwesternschule in Wien, danach Ausbildung zum Fotografen und Fotokaufmann.
Nach der Geburt meiner Tochter in den Pflegeberuf eingestiegen, Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester, Zusatzausbildung Pflege bei Demenz.
Ich beschreibe mich als „Perfektionistin“. Es ist nicht immer einfach, mir alles Recht zu machen, meint mein Team 😉.

Seniorenpflegeheim Koller: Magnesitstraße 9, 8614 Breitenau
Website: –
Telefon: 03866 30073
Anzahl der Heimplätze:  6
Mein Team: 8 liebe Helferinnen in der Pflege, eine Putzfee und eine Bügelfee und natürlich unser Koch und Hausmeister Theo.

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