O.N: Hallo Hans (Dr. Johann Hirzberger),
du hast jetzt die einmalige Gelegenheit den Breitenauern die Astronomie schmackhaft zu machen. Du arbeitest am Max-Planck-Institut in Göttingen mit Schwerpunkt Sonnenforschung. Was macht „dein“ Solar Orbiter?
Hans: Unsere Raumsonde nennt sich „Solar Orbiter“ (Anm.: gebaut von Airbus in England und ausgestattet mit Instrumenten aus ganz Europa und USA) und es ist weltweit die erste Sonde, welche sich um die Sonnenbeobachtung außerhalb der Erde bemüht. Die Sonde fliegt gerade irgendwo zwischen Erde und Venus und dreht ihre Runden – so ca. 260 Millionen Kilometer (1. November 2020) von uns entfernt. Immer wenn der Orbiter zur Erde sieht, dann sendet er Daten an uns.
O.N: Ein derartiges wissenschaftliches Projekt hat ja eine enorme Dimension. Wann wurde dieses Gemeinschaftsprojekt von ESA und NASA gestartet?
Hans: Die Vorarbeiten haben bereits vor mehr als 15 Jahren begonnen. Alleine in meinem Bereich, dem Bau und Betrieb des Polarimetric und Helioseismic Imager (PHI), arbeiteten insgesamt ca. 100 Mitarbeiter. Am Bau der anderen Instrumente waren wohl über 15 Länder beteiligt. Am 10.2.2020 war es dann soweit. Die Raumsonde wurde von Cape Canaveral (USA) in den Weltraum geschossen. Ein spannender Augenblick für alle Beteiligten – schließlich geht es auch um viel Geld (Anm.: Investitionsvolumen ca. 1,0 Mrd.€).
O.N: Cape Canaveral hört sich spannend an – konntest du beim Start in den USA vor Ort sein?
Hans: Ich durfte alles live von der Bodenkontrolle in Darmstadt erleben. Gott sei Dank ist alles gut gelaufen. Das ist nicht immer der Fall. Den Flug in die Vereinigten Staaten wollte ich mir ersparen – das Fliegen ist nicht so mein’s.
O.N: Was waren und sind deine genauen Aufgaben in diesem Projekt?
Hans: Der PHI (Polarimetric und Helioseismic Imager) wurde in meiner Abteilung wissenschaftlich definiert und gebaut. D.h. wir musst sämtliche Parameter für den Bau dieses Instrumentes definieren, wie z.B. die Teleskopgröße, Auflösung, Wellenlänge, aber auch die Datenkommunikation im Hintergrund, damit die Ingenieure was zu tun bekommen. Man kann sich den PHI als eine Art Kamera vorstellen. Dieses Gerät ist übrigens das größte und teuerste an Bord des Solar Orbiters. Nach der jahrelangen technischen Entwicklungsarbeit steht nun aber die wissenschaftliche Arbeit wieder im Vordergrund – gemeinsam mit meinem Team die Daten auswerten und Erkenntnisse ableiten.
Mit unserer Sonde werden erstmals Bilder von den Sonnenpolen übermittelt, insofern leisten wir auch hier Pionierarbeit.
O.N: Am 21.November 2021 kommt es zum einzigen „Swing By“ (Vorbeiflug) an der Erde. Wir wünschen uns eine Bild von dir!?
Hans: Das liegt leider nicht in meinem Einflussbereich. Aber ich werde die NASA fragen, die arbeitet schon an einem dementsprechenden PR-Gag – vielleicht gibt’s ein persönliches Satellitenbild der Breitenau…. .
O.N: Die Astronomie ist kein Standardstudium – wie wurde dein Interesse an diesem Thema geweckt?
Hans: Genau weiß ich das nicht, aber auf alle Fälle bin ich schon als Kind in der Nacht aufgestanden und habe mit dem Jagdspektiv meines Opas den Himmelsausschnitt bei mir zu Hause erkundet. Nachdem dieser Ausschnitt nicht so groß war (Anm.: das Elternhaus liegt versteckt im hinteren Tiefenbachgraben) hat es einige Zeit gedauert, bis ich das gesamte Sternenzelt „erforschen“ konnte. Besonders gut erinnere ich mich an die Jupitermonde und Saturnringe, welche ich mit dem Spektiv erkennen konnte.
Ich denke, am besten passt hier ein Zitat von Rudolf Kippenhahn, welches sinngemäß lautet: „Als Kind und in der Pubertät interessiert sich jeder für die Sterne. Wer darüber nicht hinaus kommt, macht es sich zum Beruf“. Dieser Spruch trifft zu 100% auf mich zu.
O.N: Gibt es aus deiner Sicht nennenswerte Wechselwirkungen zwischen Sonne und Erde?
Hans: Das Thema interessiert mich eigentlich nicht wirklich. 2 Events der jüngeren Vergangenheit sind aber auf alle Fälle erwähnenswert. Im Jahr 1989 und auch einmal am Beginn der 2000er Jahre kam es zu massiven Stromausfällen, da Sonnenstürme das Magnetfeld der Erde sehr stark beeinflusst hatten. D.h. es gibt keinen direkten Einfluss auf den Menschen, aber sehr wohl auf die Technologien.
Der wohl größte Event ist aus dem Jahr 1859 dokumentiert. Die Telegraphenleitungen brannten – ein Sonnensturm dieser Größenordnung könnte heutzutage die gesamte Energieversorgung der Erde gefährden.
O.N: Dein Solar Orbiter wird uns aber in Zukunft davor warnen – d.h. du rufst uns rechtzeitig an, damit wir vorsorgen können?!
Hans: Das wird sehr schwierig. Die Infos der Raumsonde sind vermutlich später im Rechenzentrum als die Sonnenpartikel. Je nach Intensität sprechen wir hier von Stunden bis wenigen Tagen. Allgemein kennt man natürlich die reizvollen Polarlichter als Sonneneffekte.
O.N: Mir ist die Sonnenfinsternis im Jahr 1999 noch sehr beeindruckend in Erinnerung. Wann gibt’s die nächste in der Breitenau?
Hans: 1999 war ich am Hochschwab im Nebel. Erst im letzten Augenblick war das Spektakel auch zu sehen. Für eine totale Sonnenfinsternis in Österreich müssen wir noch ein bisschen warten – 2081 ist es soweit. Eine partielle Finsternis können wir bereits im Jahr 2022 wieder erleben (in Mexiko/USA gibt es eine totale schon am 8. April 2024 zu sehen).
O.N: Kommst du noch gerne nach Hause?
Hans: Natürlich – 2-3 mal im Jahr. Dahoam is dahoam. Der Graben, die Berge, der Wald, die Natur – allein zu sein, aber nicht einsam. Ein besonderes Gefühl.
O.N: Was ist dein Lieblingsplatzerl dahoam?
Hans: Harrberger Kreuz! Dort war ich schon als kleines Kind sehr gerne.
O.N: Warum kämpfen viele ländliche Gemeinden mit der Abwanderung?
Hans: Eine konkrete Antwort kann ich hier nicht geben – es ist ein allgemeiner Trend. Aber sehr positiv sehe ich in der Steiermark die Erhaltung der letzten Reste von Kulturidentität. Diese inneren Werte sind in vielen Gegenden schon verloren gegangen. Eine sinnvolle Stärkung der bäuerlichen Strukturen wäre sicher wichtig.
O.N: Wie schauen deine Zukunftspläne aus?
Hans: Die nächsten Jahre in Göttingen sind vertraglich abgesichert. Parallel zum Solar Orbiter werde ich an neuen Weltraumprojekten der ESA mitarbeiten, z.B. Mission Lagrange.
Für die ferne Zukunft kann ich mir sehr gut eine Rückkehr in die Breitenau vorstellen. Ich schätze meine Heimat.
O.N: Lieber Hans, vielen Dank für das unkomplizierte und angenehme Gespräch – wir wünschen dir den Physiknobelpreis und bis bald auf einen Tratsch in der Breitenau.
Infokasten Dr. Johann Hirzberger:
Geboren 1968, verheiratet, 3 Kinder
Kategorischer Führerscheinverweigerer und Bahnfahrer, Hobbyschriftsteller (philosophische „Anwandlungen“) und ( Zitat Hans: „leider seit Beginn des COVID-Unsinns nicht mehr“) regelmäßiger Besucher der Sonntagsgottesdienste.
Schule: 2 Jahre VS St. Erhard, 2 Jahre VS St. Jakob, HS St. Jakob, HTL Kapfenberg (Elektrotechnik, Matura 1987)
Studium: Astronomie in Graz, Doktorat in Graz und Teneriffa (Promotion 1999)
Beruf:
- 1999-2001: Universitäts-Sternwarte in Göttingen (D) mit Schwerpunkt Sonnenbeobachtung (in Teneriffa).
- 2001-2005: Astronomie-Institut in Graz (Sonnenbeobachtung in Teneriffa und La Palma).
- 2005-2014: Max-Planck-Institut in Katlenburg-Lindau (Sonnenforschung)
- Seit 2014: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen als Senior Scientist;
Operation Scientist für das PHI Instrument auf der Solar-Orbiter Mission

