Die Breitenauer „Hybridkrähe“ –
unser Tal, hoffentlich nur für Krähen eine unüberwindbare Hürde zwischen Ost und West.
Das Sprichwort „gleich und gleich gesellt sich gern“ trifft auf alle Fälle für die Aaskrähe (Corvus corone) zu.
Corvus corone hat in Europa zwei deutlich unterscheidbare Arten gebildet.
Die schwarze Rabenkrähe (im Westen) und die Nebelkrähe mit grauschwarzem Federkleid (im Osten).
Beide Arten unterscheiden sich genetisch nur durch zwei Farbgene und trotzdem vermischen sie sich kaum.
Die Trennungslinie (die Hybridzone oder Vermischungszone) zwischen den beiden großen Populationen verläuft
von Nord nach Süd durch ganz Europa und ist nur ca. 20 km schmal.
Exakt in dieser Zone kommen die schwarze Rabenkrähe, die grauschwarze Nebelkrähe und
die Hybrid-Krähe (Mischung aus Raben- und Nebelkrähe) gemeinsam vor.
Unsere Gemeinde liegt genau in diesem speziellen Bereich (in der Hybridzone).
Es lassen sich also alle drei Krähenarten sehr gut bei uns beobachten.
Wie ist diese sogenannte Hybridzone entstanden?
Vor mehreren hunderttausend Jahren bildeten die Aaskrähen in Europa eine gemeinsame Population.
Mit der letzten Eiszeit und dem Vordringen von Gletschern nach Mitteleuropa wurden die Krähen in eine Ost- (Richtung Balkan)
und West-Population (Richtung Spanien) getrennt.
Vermutlich durch eine Mutation veränderte sich das Farbenkleid der östlichen Krähenpopulation und
es kam zu einer Graufärbung (Nebelkrähe) im Gefieder. Diese Art setzte sich im Osten zu 100% durch.
Im Westen spielte die schwarze Art (Rabenkrähe) ihre Dominanz aus.
Nach dem Rückzug der Gletscher in der folgenden wärmeren Erdperiode trafen die beiden Arten wieder aufeinander,
paarten sich untereinander und bildeten die sogenannte Hybridzone aus, in der Nebelkrähe, Rabenkrähe und Hybridkrähe nebeneinander leben.
Warum kommt es zu keiner Verbreiterung der Hybridzone und einer größeren Durchmischung der Arten?
Die beiden Krähenarten legen in der Partnerwahl großen Wert auf die Färbung des Gefieders.
Die mischfarbige Hybridvariante hat daher viel geringere Chancen sich fortzupflanzen.
Nur ein sehr geringer Anteil der Krähen weicht von diesem Verhalten ab.
Die Trennungszone hat sich daher seit der letzten Eiszeit nicht verbreitert oder verändert.
Die Breitenau bietet daher die seltene Gelegenheit dieses Verhalten und auch die unterschiedlichen Arten der Aaskrähe zu beobachten.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich wir uns an diesem Verhalten kein Beispiel nehmen.
Dies gilt jedoch nicht für das nächste Verhaltensmuster der Krähen.
Die Krähen bilden aus unterschiedlichen Gründen Allianzen untereinander. Nur wenige Vogelarten bilden solche Kooperationen.
Graugänse z.B. sind monogam und bilden nur mit ihrem Partner eine Allianz. Die Krähen haben jedoch mehrere Freundschaften und
nutzen diese soziale Kooperationen für die Futtersuche, für die Verteidigung und auch für das gemeinsame Brüten.
Unsere Krähen entwickeln sozusagen eine Idee für Fairness und Ungerechtigkeit.
In einem Experiment (Dr. Claudia Wascher, www.claudiawascher.com, Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal) wurde
die Reaktion auf ungleiche Behandlung getestet.
Im ersten Schritt erhielten Aaskrähen im Tausch für die erste Futtergabe eine bessere Nahrung. Die Krähen lernten dabei ihren Instinkt zu kontrollieren.
Bereits im Schnabel befindliche Nahrung (Brot) mussten sie wieder zurückgeben, um ein besseres Futter (eine Traube oder Käse) zu erhalten.
Das Experiment gelang – die Tiere konnten ihren Fressinstinkt in Zaum halten.
Im zweiten Schritt wurde untersucht, ob die Krähen auch auf Ungerechtigkeit reagieren.
Es wurden einige Krähen für einen erfolgreichen Tauschversuch zusätzlich belohnt, andere Tiere jedoch bekamen diese
zusätzliche Belohnung für einen erfolgreichen Futtertausch nicht.
Die benachteiligten Tiere erkannten das unfaire Verhalten und hörten auf zu kooperieren. Sie verweigerten in der Folge die Tauschversuche.
Das Vorhandensein eines Ungerechtigkeitssinnes, welches sonst nur bei wenigen Säugetieren (vor allem Primaten) nachweisbar ist,
ermöglicht die Entwicklung von Geselligkeit. Ein Prozess der in der gesamten Evolution eine besonders wichtige Rolle spielt, weil dadurch erlerntes Wissen weitergegeben wird.
Übrigens, Rabenvögel haben neben Papageien das größte Gehirn. Aaskrähen sind daher auch für ihr intelligentes Verhalten bekannt.
Dies ermöglicht Krähen unter anderem Anzahlen bis 30 zu unterscheiden. Des Weiteren können Aaskrähen abstrakte Regeln befolgen und
Menschen- und Krähengesichter unterscheiden. Das Arbeitsgedächtnis von Aaskrähen ist vergleichbar mit dem von Affen.
Über Beobachtungsfotos in der Breitenau würde sich das Ort.News-Team sehr freuen. Bilder bitte an feedback.breitenau@ort.news übermitteln.
Infobox:
Ordnung: Sperlingsvögel
Unterordnung: Singvögel
Familie: Rabenvögel
Gattung: Raben und Krähen
Art: Aaskrähe
Körpergröße: ca. 45-47 cm
Ernährung: Allesfresser
Alter in freier Wildbahn: 20 Jahre
Quelle: www. Ornithologe .de, u.a.




